Immobilienbewertungen sind für viele Bereiche unseres Wirtschafts- und Rechtslebens sehr bedeutsam. Auf der Grundlage von Wertgutachten werden existenzielle Entscheidungen getroffen, beispielsweise beim Kauf oder Verkauf von Liegenschaftsobjekten, bei Verfahren zur Aufteilung des ehelichen Vermögens, bei Wertfeststellungen im Rahmen von Verlassenschaftsverfahren, bei Exekutionsverfahren, oder bei der Bestimmung der Beleihungsgrenze im Rahmen von Finanzierungen durch Kreditinstitute.
Gemäß § 2 des Liegenschaftsbewertungsgesetzes entspricht der Verkehrswert jenem Betrag, der bei einer Veräußerung der Liegenschaft im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für sie erzielt werden kann. Besondere Vorlieben und andere ideelle Wertzumessungen einzelner Personen haben bei der Ermittlung des Verkehrswertes außer Betracht zu bleiben. Die international gebräuchliche Bezeichnung für den Verkehrswert lautet "Marktwert".
Als Marktwert wird laut TEGoVA (The European Group of Valuers' Associations) der geschätzte Preis definiert, zu dem ein Vermögensgegenstand in einem intakten Markt zum Bewertungsstichtag nach angemessenem Vermarktungszeitraum im gewöhnlichen Geschäftsverkehr verkauft werden könnte. Verkäufer wie auch Käufer handeln dabei mit Sachkenntnis, Umsicht und freiwillig.
Der Kaufpreis ist zwischen den Preisvorstellungen des Verkäufers und des Käufers angesiedelt und jeweils subjektiv. Während der Verkäufer bestrebt sein wird, den maximalen Preis zu erzielen, wird der Käufer versuchen, einen möglichst kleinen Preis zu bezahlen. Der Kaufpreis muss sich nicht mit dem Verkehrswert einer Liegenschaft decken, da er u.a. auch von der Kaufkraft und dem Geldwert zum Zeitpunkt der Transaktion abhängig ist.
Der Einheitswert wird vom zuständigen Finanzamt ermittelt. Er stimmt nicht mit dem Verkehrswert überein, sondern liegt zumeist deutlich darunter. Der Einheitswert bildet die Basis für diverse Bemessungsgrundlagen, z.B. für die Berechnung der Grundsteuer, der Bodenwertabgabe sowie der Grunderwerbsteuer.
Für die Marktwertermittlung von Liegenschaften werden häufig die folgenden derzeit wissenschaftlich allgemein anerkannten Wertermittlungsmethoden angewendet:
Es können aber auch andere, dem Stand der Wissenschaft entsprechende Wertermittlungsverfahren herangezogen werden. Aus dem Ergebnis des gewählten Verfahrens wird anschließend der Verkehrswert unter Berücksichtigung der Verhältnisse im redlichen Geschäftsverkehr ermittelt.
Das Liegenschaftsbewertungsgesetz muss zwingend in gerichtlichen Verfahren und in Verwaltungsverfahren mit sukzessiver gerichtlicher Kompetenz, wie z.B. im Enteignungsverfahren, angewendet werden. Bei Liegenschaftsbewertungen außerhalb dieser Bereiche muss das LBG nicht zwingend angewendet werden. Der sachlicher Geltungsbereich schließt die Bewertung von Liegenschaften, Liegenschaftsteilen und Superädifikaten sowie damit verbundene Rechte und Lasten ein. Der Bewertungsanlass hat außer Betracht zu bleiben.
Die ÖNORM B 1802 stellt neben dem LBG eine wichtige Basis für die Qualitätsverbesserung von Liegenschaftsbewertungen dar. Für Sachverständige spielt sie eine große Rolle im Hinblick auf die Haftung. Die Norm dient auch der besseren Nachvollziehbarkeit eines Gutachtens.
Die ÖNORM B 1802 beinhaltet Begriffsbestimmungen, allgemeine Grundlagen, Einflussfaktoren der Wertermittlung, Wertermittlungsverfahren, Flächen und Rauminhalte, Bezugsnormen und Rechtsvorschriften. Sie erstreckt sich lediglich auf die Grundlagenermittlung zur Feststellung des Verkehrswerts, stellt jedoch keine Anleitung dar, wie aus den Ergebnissen der Wertermittlungsmethoden der Verkehrswert abgeleitet werden kann.
Die ÖNORM B 1802-2 dient Bewertern als Unterstützung bei der Handhabung des Discounted-Cash-Flow-Verfahrens (DCF). Dieses Verfahren wird vor allem bei der Bewertung von Liegenschaftsinvestments angewendet. Es handelt sich um ein weltweit anerkanntes ertragsorientiertes Verfahren.
Die ÖNORM B 1802-3 behandelt in detaillierter Form das Residualwertverfahren. Dabei handelt es sich um eine international anerkannte Methode, die für die Marktwertermittlung und für die Wirtschaftslichkeitsanalyse von Liegenschaften herangezogen wird.
Liegenschaftsbewertungen werden häufig von allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen durchgeführt. Diese sind haupt- oder freiberuflich als Sachverständige tätig oder in Kreditinstituten und Ämtern angestellt.
Außer den allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für Immobilienbewertung gibt es weitere Berufsgruppen, die in der Immobilienbranche tätig sind und über Wertermittlungskenntnisse verfügen:
Grundbuchsauszug
Auszug aus dem Grundstücksverzeichnis
Auszug aus der digitalen Katastralmappe (DKM)
Baubewilligung, Bauplatzbewilligung
Kostenvoranschläge
Genehmigter Bauplan
Bauabrechnung / Kaufvertrag / Kostenvoranschlag
Mieteraufstellung, Mietverträge und Mietabrechnungen
Betriebsanlagengenehmigung
Vergleichspreise-/werte
Immobilienpreisspiegel
Wohnrechts-, Leibrenten- und sonstige Verträge (falls vorhanden)
Energieausweis
Einheitswertbescheid
Fertigstellungsanzeige / Benützungsbewilligung